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segunda-feira, 14 de maio de 2012

UEBER DEN GEWISSHEITSANSPRUCH IM CARTESISCHEN COGITO

Paper first published in Prima Philosophia, Band 12, Heft 4, 1999.


        ÜBER DEN GEWIßHEITSANSPRUCH IM CARTESISCHEN COGITO(*)
                                                                    Claudio F. Costa                                          



Summary:
The central argument of this paper is this: in an orthodox view, the cogito is a kind of direct inference, requiring the incorrigibility of the thought “I'm thinking”. By showing that "I'm thinking", to be a thought (like "I'm believing", to be a belief), always requires an object, namely, another thought, and by showing that this other thought can't be co-present with the mental occurrence of "I'm thinking", it is shown that the "I'm thinking" is not incorrigible, which makes the orthodox view of the cogito untenable.

   Nach konsequenter empiristischer Auffassung, dürfte es nichts in der Welt geben, das mit Gewißheit gewußt werden kann. Alle empirischen Wahrheiten wären nichts anderes als mehr der weniger sichere Vermutungen - eine unbefriedigende Tatsache, mit der sich die Philosophie in der Vergangenheit nur langsam und zögernd abfinden wollte.
   Dem Empiristen liegt die Auffassung nahe, daß, sofern im Prozeß der empirischen Erkenntnisgewinnung eine logische Unabhängigkeit zwischen dem erfahrenden Erkenntnissubjekt und dem zu erfahrenden Objekt besteht, immer die Möglichkeit eines Irrtums vorhanden ist: entweder, weil das Objekt mit einem anderen verwechselt wird, oder weil gar kein Erfahrungsobjekt gegeben ist. Diese Auffassung kann im Form eines Humeschen Grundsatzes(1) dargestellt werden:

   Grundsatz H:   Gewißheit von Erfahrungserkenntnis ist möglich,
                           genau dann wenn die Erfahrung und das, was er-
                           fahren wird, woneinander logisch abhängig sind.

   Selbstverständlich, trifft das zweite Glied dieser Äquivalenz auf die Wahrheiten über die äußere Welt nicht zu. Da also hier die zu erfahrenden Objekte logisch unabhängig von ihrer Erfahrung durch uns sind, ist unsere Erkenntnis von ihnen, auch im Fall direkter Wahrnehmung, tatsächlich nie absolut gewiß.
   Doch, was folgt daraus hinsichtlich der Gewißheit von Erfahrungs-erkenntnissen der "inneren" Welt - Erkenntnissen über unsere eigenen Bewußtseinsinhalte? In der Geschichte der Philosophie, von Platon bis zu Russell und Wittgenstein, galten solche Erkentnisse im allgemeinen als unkorrigierbare Gewißheiten. Man könnte dies so auffassen und begründen, daß das zweite Glied der Äquivalenz H sich zumindest auf subjektiven Erfahrungen anwenden läßt, daß also in diesem Fall die Erfahrung und das, was erfahren wird, nicht logisch voneinander unabhängig sind.
   Nun, was einst in der Philosophie als ein fast überall anerkanntes Dogma galt, wurde spätestens in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts mehr und mehr in Frage gestellt. Der damit einhergehenden neuen Auffassung zufolge trifft das zweite Glied der Äquivalenz H auch für mentale Vorgänge als Objekte oder Inhalte innerer Erfahrung nicht zu: Erfahrung und Erfahrungsinhalte sind demnach selbst im Fall von innerer Erfahrung logisch unabhängig, wenn sie auch faktisch meist nicht voneinander trennbar sind. So können Identifikationsfehler nach dieser Auffassung sowohl im Fall von Gefühlen wie im Fall von Empfindungen auftreten. Dies scheint sich leicht durch faktische oder imaginäre Beispiele stützen zu lassen.
   Der erste Fall, die Möglichkeit einer Fehlidentifikation der eigenen Gefühle, wird für gewöhnlich nicht bestritten. Man braucht keine außergewöhnlichen Beispiele zu suchen, um die Möglichkeit solcher Irrturmer zu belegen, denn sie kommen in unserem täglichen Leben häufig vor. Ich erwähne nur als Beispiel die Gefühle von Beatrice und Benedicke in Shakespeares Theaterstück "Much ado about Nothing". Am Anfang dieser Geschichte kultivieren beide ein Gefühl außerster Ablehnung zueinander, um nicht mit ihrer unbewußt verdrängten Liebe konfrontiert zu werden. Nur durch einen Trick - ihre Freunde kümmern dazu, daß jeder die Information erhält, daß der andere in Ihr hoffnungslos verliebt sei - werden sie dazu veranlaßt, ihre wahren Gefühlen zu entdecken und öffentlich einzugestehen. Zu beachten ist hierbei, daß die Korrekur des Irrtums nicht nur introspektiv von den Verliebten selbst vorgennomen wird, sondern zunächst von ihren Freunden, nämlich auf der Basis der ansonsten unerklärbaren Verhaltens der ersteren.
   Irrtumer bei der Identifikation von Empfindungen sind wesentlich schwieriger aufzudecken. Ein beeindrückendes Beispiel findet sich in der Autobiographie von P. K. Feyerabend(2). Er erzählt uns dort, daß er einmal träumte, ein sehr angenehmes Gefühl im rechten Bein zu fühlen; das Gefühl sei stärker und stärker geworden, bis er begonnen habe, aufzuwachen. Als er endlich wach wurde, bemerkte er, daß er anstatt eines angenehmen Gefühles, eigentlich ziemlich starke Schmerzen im rechten Beine hatte. Dies zeigt ihm, daß er die gesamte Zeit über starke Schmerzen gehabt haben mußte, die er mit einem angenehmen Gefühl verwechselt hatte. Hier haben wir somit ein Beispiel von einer Korrektur, die nur durch die eigene Person - aufgrund von neuen Erfahrungen - vollzogen wird. Es gibt auch Fälle, in denen äußeres Verhalten als Korrekturbedingung vorgezogen wird, zum Beispiel, wenn ein hypnotisierter Mensch von einer Nadel gestochen wird, aber keine Schmerzen empfindet, oder wenn in einem hysterischen Anfall sexueller Lust mit Schmerzen verwechselt wird, und auch als solche empfunden werden. Diese Auffassung einer möglichken Fehlidentifikation läßt sich auch auf andere Empfindungen übertragenen, z.B. auf Farbempfindungen; man denke an der Fall der hysterischen Blindheit, bei der der "blinde" Mensch die Augen schließt, wenn ein Gegenstand schnell gegen sie geschleudert wird, und später unter gewissen Umständen dennoch ehrlich erzählen kann, was er angeblich sah.
    Der Vertreter der Unkorrigierbarkeitsthese könnte nun gegen die Möglichkeit solcher Irrtümer einwenden, daß die Fehlidentifikation in allen diesen Fällen nur unter gewissen, seltenen und außergewöhnlichen Umständen auftritt... Aber dieser Einwand ist ungültig, denn auch im Fall von externen, nahegelegenen Gegenständen, die durch "Protokollaussagen" beschrieben werden können, ist eine Fehlidentifikation nur unter außergewöhnlichen Umständen, möglich: nur unter sehr ungewöhnlichen Umständen könnte es beispielweise geschehen, daß der PC, auf dem ich jetzt schreibe, von mir fehlidentifiziert würde.
     Ein raffinierter Vertreter der Unkorrigierbarkeitsthese könnte jedoch noch einen weiteren, für seinen Standpunkt zentralen Einwand bringen: Wenn ich einmal erfahre, daß ich eine gewisse Empfindung habe (z.B. Schmerzen), dann muß ich diese Empfindung haben - denn das "Empfinden" allein ist hier das Identifikationskriterium. Er unterscheidet demzufolge zwischen zwei Verwendungen von Empfindungswörtern:

     (i)  sie beziehen sich nur auf Empfindungen, von denen
           man sagen kann, daß sie tatsächlich gefühlt oder er-
           fahren wurden;
    (ii)  sie beziehen sich auch auf Empfindungen, von denen
          man dies nicht sagen kann -  d.h., auf Empfindungen
          im Sinne eines Erfahrungsinhalten (oder Efahrungs-
          objektes), die durch unterschiedliche Kriterien, insbe-
          sonders durch  die  Möglichkeit  ihrer  Identifikation
          durch einen Dritten  (aufgrund von Verhalten, usw.)
          charakterisiert werden können.

    Der zweite Verwendungsweise zufolge kann man demnach sagen, daß der hypnotisierte Mensch zwar Schmerzen hatte (was möglicherweise durch eine Untersuchung seines Gehirns sogar intersubjektiv nachweisbar wird), die er aber nicht erfährt oder empfindet... Hinsichtlich Feyerabends Beispiel könnte man sagen, daß der Gegenstand seines Gefühls zwar seine Schmerzen waren, aber was er eigentlich erführ oder fühlte, war dennoch sehr angenehm. Nach der zweiten Verwendung von Empfindungswörtern, sind Empfindungen (meist intersubjektiv)  korrigierbar - im ersten Sinn sind sie es nicht. Der Grund dafür ist, wie schon erwähnt wurde, daß in diesem Fall, das einzige Identifikationskriterium für Empfindungen ist wie der Mensch selbst denkt, daß er fühlt, in dem Moment, indem er fühlt - was die Möglichkeit einer Korrektur durch einen Dritten ausschließt. In diesem Fall muß man also sagen, daß Feyerabends Empfindung tatsächlich ein sehr angenehmes Gefühl war, obwohl er eigentlich Schmerzen hatte, und daß dieses Gefühl über jeden Zweifel erhaben ist.
   Gegen diese Auffassung kann jedoch eingewadt werden, daß auch ein erfahrenes Gefühl nicht mit absoluter Sicherheit identifiziert wird. Nehmen wir an, der hypnotisierte Mensch im obigen Beispiel würde uns später eingestehen: "Ich habe das Schmerzgefühl die ganze Zeit erfahren, ich konnte es jedoch nicht glauben". Was hier korrigiert wird, scheint seine Einschätzung der empfundenen Schmerzen zu betreffen. Vielleicht könnte man im Anschluß an dieser Beispiel mutmaßen, daß immer dann, wenn Erfahrung thematisiert wird, sie als eine Art Erfahrungsinhalt auftritt, der von ihrer (nicht thematisierten) Weise der Erfahrung durch uns unterschieden werden. Das heißt: wenn Subjekt S die Erfahrung E von dem Erfahrungsinhalt I erfährt, wird die Erfahrung E als Erfahrungsinhalt I' durch die Erfahrungsweise E' erfahren, usw. Die Möglichkeit einer solchen Unterscheidung wäre dann - wenn Grundsatz H akzeptiert wird - ein Hinweis darauf, daß nichts im Bewußtsein absolut unkorrigierbar zu sein braucht.
   Gegenüber solchen entschlossen empiristischen Auffassungen, erscheint das cartesische cogito als etwas unbefriedigend: "Ich denke", "Ich bin bewußt", "Ich bin" sind anscheinend keine analytische Aussagen; man kann sie ohne Widerspruch verneinen. Es handelt sich auch nicht um synthetische a priori Aussagen, denn die Wahrheit von "Ich bin ein denkender Wesen" - das Ergebnis des cogito-Schlußes - ergibt sich anscheinend aus der Erfahrung: nur indem ich mich als Denkenden erfahre, weiß ich, daß ich bin. Wie kann es dann möglich sein, daß dies, wie Descartes meinte, unantastbar gewiß ist?
   Es ist nicht nötig, mit dem Standpunkt des Empiristen völlig einverstanden zu sein, um anbetracht der obigen Überlegungen, dem Gewißheitsanspruch des Cartesischen cogito mit einer mißtrauischen Haltung zu begegnen. Mein Ziel in dieser Arbeit wird sein, die im cogito involvierten Bewußtseinsphänomene genauer zu analysieren, um jenen Gewißheitsanspruch zu prüfen.

   1. DIE LOGISCHE UND BEGRIFFLICHE
       STRUKTUR DES COGITO
   Eine Problematisierung des cogito ist nur vor dem Hintergrund einer eigenen Interpretation möglich: denn das cogito wurde von unterschiedlichen Autoren schon auf recht vielfältige (häufig auch irreführende) Weisen interpretiert. Aus diesem Grund, will ich zunächst mein eigener Verständnis seiner Struktur explizieren. Damit beabsichtige ich nichts anderes, als eine mit den Standard-Deutungen weitgehend übereinstimmende Interpretation zu präsentieren.
   Zunächst scheint es naheliegend, das cogito als ein Argument auszulegen, wodurch aus einem Bewußtseinsakt heraus die Ich-Existenz geschlossen wird. Diese Schlußfolgerung wird in Descartes Schriften auf sehr unterschiedliche Weisen dargestellt oder angedeutet. Hier sind einiger Variationen:

   (i)    Ich zweifle, also bin ich. (AT X 523)(**)
   (ii)   Ich überzeuge mich von etwas, also bin ich. (AT VII 18)
   (iii)  Ich täusche mich, also bin ich. (AT VII 18)
   (iv)  Ich (glaube, daß ich) sehe, also bin ich. (AT VII 30)
   (v)   Ich denke, also bin ich. (AT VI 33, VIII-1, 8, X 523)
   (vi)  Ich betrachte, daß ich bin, also bin ich. (AT VII 18)

   In all diesen Beispielen, inklusive (vi), auf den wir erst am Ende eingehen werden, wird die Ich-Existenz aus Bewußtseinsakten geschlossen. Beispiel (v), das sog. cogito ergo sum, besitzt einen deutlichen Vorrang vor den anderen. Es kehrt häufig an entscheidenden Stellen in Descartes Schriften wieder; und dies nicht ohne Grund, denn zweifeln, sich zu überzeugen, sich täuschen... sind sämtlich nur Arten von Denken. Das "ich denke" (oder auch: "ich bin bewußt") scheint also zum Ausdruck zu bringen, was alle diese Arten von Denkakten gemeinsam haben müssen, damit die Ich-Existenz aus ihnen geschlossen werden kann. Wir sind somit berechtigt, den fundamentalen Grundsatz von Descartes in Form des Diktums "Ich denke, also bin ich", nämlich, als das cogito in seiner Originalform wiederzugeben. Die nächste Frage lautet: wie sieht der im cogito enthaltene Schluß vom Denken auf das Sein aus?
   Hinsichtlich der Frage, ob das cogito wohl ein syllogistisches Enthymema ist, wonach "ich existiere" aus "ich denke" zusammen mit dem Prinzip "Alles, was denkt, existiert", oder "Wenn etwas denkt, existiert es" als implizite Prämisse geschlossen werden würde, scheint Descartes eine zwiespältige Auffassung zu haben. In den Principia Philosophiae schreibt er, daß die Kenntnis jenes Prinzip eine Voraussetzung des cogitos sei (AT VIII 8); an anderer Stelle sagt er hingegen, wir würden unsere Existenz aus "Ich denke" ohne Rekurs auf einen Syllogismus erschließen, nämlich unmittelbar, durch einfache geistige Einsicht (mentis intuitu) (AT VII, 140). Damit scheint er zu meinen, daß jenes Prinzip zwar tatsächlich vorausgesetzt, aber nicht explizit im Schluß des cogito berücksichtigt wird (AT V, 147). Descartes Zögern, den Vollzug des cogito als syllogistischen Denkakt zu verstehen, scheint an der Tatsache zu liegen, daß ein Syllogismus, dessen Vollzug letztendlich auf einem Vernunftprozeß beruht, nicht mehr unmittelbar wäre - was die Gewißheit der Konklusion beeinträchtigen könnte. Es wäre aber widersprüchlich, ein solches Prinzip wie das obige als Prämisse vorauszusetzen, ohne daß es im cogito tatsächlich als Teil eines enthymematischen Syllogismus vorkäme!
   Eine plausible Lösung des Problems ist, den enthymematischen Charakter des Schlusses anzuerkennen, ohne die Unmittelbarkeit seines Vollzuges preiszugeben. Das scheint aber geleistet zu werden, wenn der Schluß als Anwendungsfall einer grundsätzlichen Ableitungsregel interpretiert wird, wonach, wenn von "etwas" ein Attribut behauptet wird, auch die Existenz dieses "etwas" behauptet werden darf. Wenn also F für irgendein Attribut steht und a für irgendeinen Namen, würde diese Ableitungsregel lauten: Fa → Ex (x = a). Wenn also D für das Attribut des Denkens steht, und i für das, was dieses Attribut trägt, dann kann man das cogito formal als einen modus ponens mit einer Instanzierung der Ableitungsregel, nämlich, Di → Ex (x = i), als entymematischen Premisse wie folgt auffassen:
                                    Di
                                   (Di → Ex (x = i))
                                    Ex (x = i) 

   In dieser Form entspricht der Schluß Descartes Auffassung wider, daß das cogito unmittelbaren einsehbarer sei, denn, obwohl eine Instanz der Regel "Wenn etwas denkt, darin existiert es" als enthymematischer Bestandteil des cogitos-Schlusses aufftritt, erkennt man sofort, daß, wenn "Di" wahr ist, "Ex (x = i)" auch wahr sein muß, da die Existenz des von i bezeichneten Gegenstandes eine notwendige Voraussetzung für die Wahrheit von Di ist.
   Gegen diese Auffassung wurde schon eingewandt, daß die obige logische Regel nicht allgemein gültig sei. Es gibt an der Tat Fälle, in denen ein a einem F prädiziert werden kann, wobei der von F bezeichnete Gegenstand nicht existiert. Beispiele dafür sind Sätze wie "Hamlet hatte viele Gedanken" oder "Das Dreieck hat drei Seiten"(3). Solche Einwände sind aber unschwer zu entkräften. Der Satz "Hamlet hatte viele Gedanken" etwa ist wahr nur in einem fiktionalen Kontext; aber in diesem Kontext wäre dann auch wahr, daß Hamlet existiert, wenn auch im Sinne einer fiktionalen Existenz. Die Regel wäre also auch in dem Fall, daß das cogito in einem fiktionalen Kontext geäußert würde, anwendbar; ein Fall, der außerdem nicht denkbar ist, denn Fiktion gilt nur im Kontrast zu Nicht-Fiktion, und dieser Kontrast wäre hier nicht gegeben. Ähnliches gilt für den Vergleich des cogito mit dem Satz "Das Dreieck hat drei Seiten". Es hat zwar drei Seiten, auch wenn es kein Dreieck in der Welt gäbe; aber man spricht hier über einen ideales, konzeptuelles Dreieck, und das cogito wird als ein Erfahrungsurteil verstanden. Die Anwendung der obigen logischen Regel auf das cogito kann also gerechtfertigt werden durch den Hinweis, daß sie zumindestens in all den Fällen Gültigkeit lenkt, in denen das unter  fallenden Eigenschaft ein aktuell erfahrenes Attribut ist. Wenn z.B. jemand in einer Beobachtungssituation sagt "Dieser Stift ist blau" und dieser Äußerung wahr ist, dann ist ausgeschlossen, daß der genannte Stift nicht existiert. Ähnliches sollte auch für das cogito gelten: "Ich denke" ist ein aktueller Erfahrungssatz; wenn er daher wahr ist, so kann daraus die Existenz des Ichs unmittelbar geschlossen werden(4).
   Es gibt auch andere Einwände gegen die Interpretation des cogito als logische Schluß. Ein alter Einwand ist, daß Descartes an mehreren Stellen sagt, der Schluß von dem Sein aus dem Denken sei nichts als eine selbst-evidente Intuition (AT VII 140, AT V 137). Wir haben jedoch bereits nachgewiesen, daß die Auffassung des cogito als Intuition - so wie Descartes das Wort 'Intuition' versteht - vollkomen kompatibel mit dessen Auffassung als Argument ist(5). Was Descartes meint ist lediglich, daß der Geist den gesamten Schluß des cogito in einem einzigen Bewußtseinsakt durchlaufen kann, wie durch ein einziges "geistiges Sehen" (AT VII 140).
   Gegen die Relevanz der Auffassung des cogito als Argument steht schließlich auch der Einwand J. Hintikkas, daß das "ich denke" im Grunde überflüssig sei. Nach Hintikkas performative These, eine Erfolgsbedingung der Äußerung von "ich bin" sei, daß die Person, die es äußert, existiert. "ich bin" ist - wie auch "ich denke" - ein selbstverifizierender Satz, dessen Verneinung existentiell inkonsistent (existentially inconsistent) ist. Ich kann weder denken, daß ich bin, noch, daß ich denke, ohne daß diese Gedanken wahr sind. Darüber hinaus braucht das "ich denke" im cogito nur als Hinweis auf das Denken von "ich bin" verstanden werden!(6) Das cogito wäre demnach richtiger, wenn es "Bei dem Versuch zu denken, daß ich nicht bin, stelle ich fest, daß ich existieren muß" hieße. Das cogito ist dennoch kein Schluß, sondern ein Akt oder eine "performance", wobei der Versuch, die eigene Existenz zu bezweifeln, die Notwendigkeit der Ich-Existenz zeigt; die Gewißheit der Ich-Existenz folgt aus dem Versuch, diese Ich-Existenz zu bezweifeln, wie der Laut aus der Musik.
   Diese Auffassung wird jedoch von den meisten Descartes-Spezialisten als eine Fehlinterpretation Descartes zurückgewiesen, auch wenn wichtige Spuren davon in der Vielfalt der Cartesischen Schriften zu finden sind(7). Denn für Descartes ist es nicht nur das Denken von "Ich bin", daß seine Existenz beweist, sondern jede Art von Denken - wie wir gesehen haben, glaubt er, seine Existenz aus den unterschiedlichsten Denkakten, wie Überzeugung, Täuschung, usw. schließen zu können. Außerdem, wenn man genauer betrachtet, was Hintikkas Umdeutung bedeutet - so lautet die Kritik - kommt man wieder zu einem Argument, z.B.: "Wenn ich versuche zu denken, daß ich nicht bin, dann bin ich; ich versuche zu denken, daß ich nicht bin, also ich bin"; - aber das scheint keine performatorische Handlung mehr zu sein. Und der Rekurs auf das "Ich denke" ist deshalb nicht entbehrlich, weil für Descartes das "Ich bin" ohne Zuhilfenahme der Feststellung meines Denkens nicht behauptet werden kann: ich kann nur wissen, daß ich existiere, wenn ich meine Bewußtseinsakte feststelle, was für Descartes "Denken" heißt.
  Die Ableitungsregel kann selbstverständlich nur für den Transfer der Wahrheit sorgen, nicht für die Wahrheit selbst. Damit "Ich bin" als eine unantastbare Wahrheit aufgefaßt wird, muß die Wahrheit von "Ich denke" auch mit unantastbarer Gewißheit gewußt werden. So heißt es bei Descartes. Es handelt sich dabei nicht lediglich um irgendeinen Bewußtseinsinhalt - was für Descartes allerdings den Satz schon unbezweifelbar machen würde - sondern, um die grundlegendere Tatsache, daß ich an "Ich denke jetzt" nicht ernsthaft zweifeln kann, da solche Zweifel wiederum eine Art von Denken wäre. Selbst ein genius malignus könnte daher nicht bewirken, daß ich glaube, daß ich denke, wenn ich nicht denke, da ich um in meinem Glauben getäuscht werden zu können, bereits denken muß.
   Eine weitere Frage betrifft die Rolle des Ichs im cogito. Warum lautet der erste Satz "Ich denke" und nicht etwa "Es gibt Gedanken"?(8) Die Antwort wäre, zunächst, daß Denken ein Attribut ist, und ein Attribut fordert, nach Descartes, die Existenz von etwas, dem dieses Attribut zukommt (AT VII 22, VIII A 8)(9). Dennoch, könnte man sich fragen, warum nicht anstelle von "Ich denke", "Etwas denkt" oder vielleicht "Die Weltseele denkt durch mich?" zulässig wäre. Wie A. Kenny bemerkte, hat Descartes diese Frage nicht beantwortet(10). Aber vielleicht wäre eine Antwort auch gar nicht nötig, denn ein möglicher Sinn des Wortes 'ich' ist ja "das, dem Gedanken als Attributen zukommen", oder "das, was gemeinsamer Träger verschiedener Bewußtseinsakte ist... Ob das Ich zu einer Person oder zur Weltseele gehört, ist eine zusätzliche Frage, die über die Struktur des cogito hinausgeht.
   Damit habe ich nun skizziert, was mir nach den heute gängigen Auffassungen eine plausible und allgemein vertrettbare Deutung der Struktur des cogito zu sein scheint. Auf der Basis dieser Deutung sollen in nächsten Abschnitte die Bewußtseinsvorgänge, die den Schluß von Denken auf das Sein begleiten, phänomenologisch und pragmatisch analysiert werden. Meine zentrale Absicht ist überprüfen, ob das Fleisch der wirklichen raumzeitlich Bewußtseinsphänomene auf jene logisch-grammatischen Knochen paßt.

   2. DENKEN NUR ALS DENKEN MÖGLICHER
       BEWUßTSEINSINHALTEN
   Ich beginne mit einer trivialen Feststellung, die so offenkundig ist, daß über ihre Konsequenzen im Kontext des cogito bisher nicht hinreichend nachgedacht wurde. Man kann sie aus der sprachliche Feststellung ableiten, daß 'denken' als 'denken über', 'denken an', 'denken, daß...', d.h., als ein intentionales Verb zu verstehen ist, das eine Ergänzung durch einen Nebensatz verlangt, welcher den Inhalt des Denkens ausdrückt. Anders gesagt, "Ich denke" heißt für gewöhnlich "Ich denke p", wobei p einem Gedankeninhalt ausdrückt. "Ich denke" allein, macht keinen Gedanke aus, auf ähnliche Weise wie "Ich verspreche" allein keinen Versprechen ausmacht und “Ich will“, “Ich hoffe“, “Ich bezweifel“ allein kein wirkliches Wollen, Hofnung und Zweifel ausdrücken.
   Die in diesen gramatischen Merkmalen von 'Denken' reflektierte Tatsache wird deutlicher, wenn wir uns überlegen, daß ein Sprecher von sich nicht sagen kann, daß er jetzt denkt, ohne den anderen das Recht einzuräumen, die Frage zu stellen, an was er denkt. Wenn ich also sage: "Jetzt denke ich", werden die anderen annehmen, daß ich damit wahrscheinlich über eine Aufeinanderfolge von zusammenhängenden Gedanken p, q, r... spreche, die mir gerade in den Sinn gekommen sind. Könnte ich auf die Frage "An was denkst du dann?" keine Antwort geben, würden die anderen fragen dürfen, ob ich wirklich an etwas gedacht habe: wenn ich "Ich denke" äußere, ohne daß mir gelingt, auf einzelne Gedanken, die ich gehabt habe, Bezug zu nehmen, ist das, was ich sage, eigentlich falsch, und die entsprechene wahre Äußerung für dieser Zustand ist: "Ich denke nicht" oder "Ich denke an nichts". Das heißt nicht, daß ich auf mein Denken von "Ich denke" selbst nicht Bezug nehmen könnte: ich kann durchaus auch auf "Ich denke p, q, r..." referieren, indem ich mir einfach denke, daß der Gedanke, daß ich p, q, r... gedacht habe, in meinem Bewußtsein aufgetreten ist.
   Angenommen nun, daß ich auf die Frage "Worüber denkst du dann?" antworte, daß ich mit den Wörtern "Ich denke" nichts anderes meinte, als meinen selbstreferentiellen Gedanken von "Ich denke", der dann die Form hätte:

   "Ich denke diesen Gedanke selbst".

   Dabei würde ich also gar keine konkreten Gedankeninhalte in meinem Bewußtsein bezeichnen wollen. In diesem Fall gäbe Grund zu bezweifeln, ob es mir dabei überhaupt gelungen ist, eine sinnvolle Äußerung auszusprechen, die einen Gedanken mit einem Wahrheitsdefinition zum Inhalt hat. Der Satz "Ich denke (dieses Gedanke)" kann vielleicht den Eindruck erwecken, daß es eine selbstreferentielle Aussage ist, die einen um den Denkvorgang selbst kreisenden Gedanken äußert, ein Vorgang des Denkens ohne Inhalt - aber dies wäre ein täuschender Eindruck, da währendessen sicherlich nichts im Kopf des Sprechers vorgeht. Was ich äußere, wenn ich sage "Ich denke" ohne auf Gedanken in meiner Bewußtsein zu intendieren, kann nur eine lehre Wortzusammenhang sein: eine, die nur noch einer lexikalen oder literalen Bedeutung eines kontextuellen deplazierten Satz noch behältet. Auch wenn ich im Stillen meines Bewußtseins die Wörter "Ich denke" ausspreche, auch wenn es als Geschehen in mir erfahren wird, ist es kein Denkvorgang, denn so ein selbstreferierendes Denken gibt es nicht.
   Anders formuliert: wenn ich sage oder denke: "Ich denke", kann dies entweder wahr oder falsch sein; wenn es wahr ist, dann (i) sind damit wirklich existierende Denkakte in meinem Bewußtsein gemeint; wenn es falsch ist, dann (ii) sind damit Abläufe von Gedanken in meinem Bewußtsein intendiert, die in der Tat aber nicht existieren (ich denke nicht!). Ich kann auch, selbstverständlich, auf das "ich denke" selbst referieren; ich tue es indem ich (iii) zu mir selbst etwa sage: "Ich denke, daß gerade "ich denke" bezüglich des Gedankens p in meinen Bewußtsein aufgetretten ist" - und auch dies kann wahr oder falsch sein. Was aber nicht möglich ist - und dies die pointe unserer Betrachtungen - ist daß ich mit "Ich denke" (iv): den bloßen Denkakt von "Ich Denke" selbst, als einzelnen Gedanken in meinem Bewußtsein meine. Alles, was mir in diesem Fall gelünge, wäre eine Inhaltsleere Zusammensetzung von Wörtern auszusprechen - ohne Wahrheitswert und ohne ein gelungenes Sinn. Zu sagen "Ich denke" und damit das Denken dieses Gedanken selbst zu meinen, macht weniger Sinn als zu sagen "Dies ist grün" in Abwesenheit eines Bezugsobjektes und drückt so viel einen Gedanken aus wie der Satz "Der rundliche Viereck ist rundlich" aus.
   Diese Betrachtungen bleiben nun für unser Verständnis des cogito nicht ganz ohne Konsequenzen. Der Vorgang des Denkens im "ich denke, also bin ich" kann nicht als inhaltsleeres inneres aussprechen der Wörtern "ich denke" verstanden werden, denn das "Ich denke" muß ja wahr sein, um die Wahrheit der Konklusion zu gewährleisten. "ich denke" muß auch hier heißen, daß ich an etwas bestimmtes denke, so unterschiedlich dieses auch sein mag: Es mag sein, daß ich denke, daß es regnet, oder daß ich wach bin, oder daß die Welt vielleicht nur erträumt wird, usw. Egal, um was es sich dabei handelt; die Wörter "Ich denke" im cogito müssen auf einen Denkeinhalt Bezug nehmen, um einen tatsächlichen inhaltswollen Bewußtseinsakt beschreiben zu können. Wir können diesen Punkt explizit machen, indem wir das "Ich denke" im cogito als "Ich denke p" ausdrücken, wobei "p" durch einen beliebigen sinnvollen Satz (oder auch durch eine Reihe von miteinander verbundenen Sätzen unserer Sprache) ersetzt werden kann. Demzufolge kann die Existenz des denkenden Ichs zwar aus "Ich denke..., daß es regnet" geschlossen werden, nicht aber aus dem bloßen "Ich denke schlechthin".
   Wenn wir von diesen Betrachtungen ausgehen, so ergeben sich - wie wir bald sehen werden - wichtige Konsequenzen bezüglich der Gewißheit des cogito.

    3. DAS COGITO ALS ZUSAMMENSETZUNG
        VON BEWUßTSEINSMOMENTEN?
   Eine erste Form von phänomenaler Analyse des cogitos, die wir hier darstellen wollen, wurde von Hobbes in seinem zweiten Einwand in der Objectiones kritisch erwähnt. Es lohnt sich, die Stelle ausführlich zu zitieren: "Es ist ja äußerst gewiß, daß die Kenntnis des Satzes "Ich existiere", mit dem: "Ich denke" gegeben ist... Nicht aber schließe ich, daß ich denke aus einem andern Gedanken; denn wenngleich jemand denken kann, daß er gedacht habe (dieser Gedanke ist nichts anderes als die Erinnerung), so ist es doch ganz unmöglich, daß jemand denkt, er denke, wie auch, daß er weiß, er wisse. Die Frage würde ja ins Unendliche gehen: woher weiß du, daß du weißt, daß du weißt!" (AT VII 237). Auf diesen Einwand, wonach das "ich denke" eine reductio impliziert, hat Descartes beantwortet, indem er die Auffassung, wonach das cogito ein Denken über einen Gedanken fordern würde, ganz entschieden zurückgewies: das "ich denke" besteht für ihn aus nur einem einzigen Gedankenvorgang (vgl. AT VII 240 f.). Ich werde in folgenden die von Hobbes angeführte Auffassung von "ich denke" im Detail analysieren, nicht weil sie korrekt ist, sondern weil sie uns etwas Wichtiges lehren kann.
   Es handelt sich hierbei um die Auffassung, daß das cogito in einer Reflexion des Bewußtseins über einen Gedanken bestehe, den der Denker gegenwärtig hat. In diesem Fall impliziert das "ich denke p" im cogito das vorhandensein zweier Bewußtseinsakte oder Denkakte, die gleichzeitig verlaufen müssen. Diese Akte sind 1a) das Denken von p, und 1b) ein Bewußtseinsakt höherer Ordnung, nämlich, das Denken, daß ich gegenwärtig p denke. Aus 1a) und 1b) folgt dann unmittelbar ein dritter Bewußtseinsakt, nämlich, der Gedanke, daß ich bin. Das folgende Schema zeigt die Struktur von "Ich denke, also bin ich" nach dieser Auslegung auf:

    SCHEMA I:
     Bewußtseinsakt:                   Bewußtseinsakt höherer Ordnung:
     1a) Mein Denken von p        1b) Ich denke (ich werde mir
           (z.B.: "daß es regnet")          bewußt) daß ich 1a) habe.
    _______________________________________________
                                                   anschließender Bewußtseinsakt:
                                                   2) daraus schließe ich unmittelbar,
                                                       (wegen der Voraussetzung von
                                                       1b)), daß ich bin.

   Was die Unbezweifelbarkeit betrifft, zeigt Schema I zwei Unzulänglichkeiten, die es für die Darstellung der Rolle des cogito ungeeignet machen: (i) der Schluß von 2) aus 1a) und 1b) geschieht in einer zeitlichen Abfolge; (ii) das Schema zeigt eine logische Unabhängigkeit zwischen der Erfahrung des Subjektes und dem, was erfahren wird, was in Verhältnis von 1a) und 1b) deutlich wird; damit scheint es den zweiten Glied des Grundsatzes H, nämlich, die Ununterscheidbarkeit zwischen Erfahrung und Erfahrungsgegenstand nicht zu erfühlen, mit der Mangeln von absoluten Gewißheit als Konsequenz.
   Aber bereits wegen (i) kann Schema I dem Gewißheitsanspruch des cogito nicht gerecht werden, denn wenn das Schließen von 2) aus 1a) und 1b) in einer Zeitabfolge geschieht, besteht ja bereits die Möglichkeit eines Irrtums. Descartes hielt zwar unser Wissen von logischen Gesetzen, wie dem Gesetz der Identität oder dem des Widerspruchs, ebenfalls für unbezweifelbar; denn er gibt zu, daß ohne ein grundsätzliches Verständnis logischer Prinzipien das cogito nicht geschlossen werden könne. Eine Feststellung wie "1 = 1", durch die das Identitätsprinzip exemplifiziert wird, hätte Descartes daher wohl als nicht bezweifelbar betrachtet. Aber dasselbe gilt nicht mehr für einen Gedankenprozeß: in Rechenvorgängen etwa können immer Fehler auftreten; auch bei einer einfachen Addition wie "3+5" könnte, nach Descartes, ein Fehler eintreten, wenn z.B. durch Intervention einer genius malignus das Ergebnis, regelmäßig als 6 und nicht als 5 erkannt wird. Das liegt ganz einfach darum, daß ein Gedankenprozeß in zeitlich aufeinander folgenden Schritten verläuft, die häufig in Gedächtnis bewahrt werden müssen. Dadurch können natürlich leicht Irtummer entstehen. Dasselbe trifft nun auch auf das cogito zu, wenn wir es als Ergebnis eines Denkprozesses auffassen. Denn es ist nicht unmöglich, daß ein Erinnerungsfehler bezüglich der im Gedächtnis behaltenen vergangenen Akte 1a) und 1b) beim Akt des Schließens auf 2) eintritt, so daß der Schluß ungültig wird. Ähnliches gilt auch für (ii): sobald eine Unabhängigkeit zwischen einem Bewußtseinsakt und einem auf ihn bezogenen Bewußtseinsakt höherer Ordnung entsteht, wird ein Fehler bei der Bezugnahme zumindest prinzipiell möglich.
   Wäre das bezeichnete Gedankenprozeß möglich, dann würde diese Kritik zutreffen. Aber der in Schema I dargestellte Prozeß scheint bereits aus phänomenologischen Gründen auch unmöglich, da man - wie Hobbes bemerkt - keinen Gedanken über einen anderen, gleichzeitigen Gedanken, haben kann: ein einziges Bewußtsein kann zwei verschiedene Bewußtseinsakte nicht gleichzeitig bewußt vollziehen - man kann zu jedem Zeitpunkt nicht mehr als einen einzigen Gedanken denken.
    Wenn zuweilen den Eindruck entsteht, daß so etwas doch möglich wäre, so entsteht dieser Eindruck vielleicht aus der Tatsache, daß in der Regel mehreren Gedanken, welche mit unserem jetzigen Denken verbunden sind, am Rand unseres Bewußtseins ständig schweben. Bei einer genaueren Betrachtung erweist sich dies jedoch als irrelevant. Das Denken von "ich denke" verhält sich zu dem darauf bezogenen Denkprozeß, nicht wie die Äußerung "Ich laufe" zu dem Prozeß des Gehens, die beide gleichzeitig vonstatten gehen können, sondern eher wie die Äußerung "Ich pfeife" zu dem Prozeß des Pfeifens, die nur ungleichzeitig ablaufen können. Ich kann daher denken, daß es regnet, und unmittelbar danach zu dem Gedanke kommen, daß ich gerade gedacht habe, es regnet, und daraus kann ich auch schließen, daß ich derjenige war, der diese Gedankengänge gehabt hat. Dieser Prozess kann so schnell vorangehen, daß ich dabei nicht bemerke, wie jene Bewußtseinsakte nacheinander entstehen. Aber ich kann unmöglich zur selben Zeit, da ich denke, daß es regnet, auch denken, daß ich denke, daß es regnet. Ich kann nicht gleichzeitig mit dem Denkakt, den ich jetzt vollführe, auch denken, daß ich jenen Denkakt vollziehe. Das ist eine Tatsache unseres Bewußtseins.

   4. DER CARTESISCHE VERSUCH, DAS COGITO
       ALS EINEN EINZIGEN BEWUßTSEINSAKT
       ZU ANALYSIEREN
   Nun, Descartes hat die Möglichkeit solcher Schwierigkeiten offenkundig bemerkt, so daß er das cogito weder als ein Phänomen des selbstreflektierenden Bewußtseins noch als einen zeitlichen Vorgang von aufeinander folgenden Bewußtseinsakten auffassen wollte. Wie schon erwähnt, besteht daher das "ich denke" bei Descartes nur aus einem einzigen "geistigen Akt", aus einem einzigen Bewußtseinsakt. Diese Auffassung kann hier auf zweierlei Weise wiedergegeben werden.
   Erstem könnten wir annehmen, daß ein einziger Bewußtseinsakt unabhängig von Gedankeninhalten p, q, r..., auftreten kann. Das Bewußtseinsphänomen des cogito könnte dann durch das folgende Schema dargestellt werden:  

   SCHEMA II:
  
   Einziger Bewußtseinsakt: "Der Gedanke, daß ich denke
                                          (schlechthin), beinhaltet schon
                                          das Bewußtsein, daß ich bin"(11)

   Aber wir sahen schon, daß diese Variante zu verwerfen ist, weil es ohne Bezug auf Inhalte kein Denken gibt.
   Die zweite Möglichkeit der Darstellung geht davon aus, daß in jedem Akt des Denkens schon das Moment des Selbstbewußtseins beinhaltet sei. Daher würde das "Ich denke p", des cogito, nicht einen Gedanken über einen anderen Gedanken beinhalten, sondern das Bewußtsein, daß p von mir selbst gedacht wird, woraus wiederum für mich evident wird, daß ich bin. Das entsprechende Schema kann mag so aussehen:

   SCHEMA III:
   Einziger Bewußtseinsakt:  Ein Gedanke p beinhaltet  schon  das
                                             Bewußtsein, daß p notwendigerweise
                                             von meinen Ich gedacht wird,welches
                                             dann selbstverständlich existiert.

   Aber für dieses (wie für jeder ähnliche) Schema, gilt noch immer die Frage: ist das cogito als ein  einziger Bewußtseinsakt wirklich konzipierbar? Kann es wahr sein, daß z.B. im Denken von p schon der Gedanke beinhaltet werden kann, daß ich derjenige bin, der p denkt?
   Manche Interpreten meinen, daß dies (oder ähnliches) tatsächlich möglich ist. Meinerseits bin ich jedoch skeptisch bezüglich dieser Möglichkeit. Eine derart unmittelbare Intuition treffen wir eigentlich an uns selbst nicht an. Wären das Denken von p und das Denken, daß ich p denke, in einem einzigen Bewußtseinsakt eingeschlossen, dann müßte ich denken, daß ich derjenige bin, der p denkt, immer dann, wenn ich p denke. Daß ich derjenige bin, der p denkt, entspricht also einen weiteren Gedankenschritt, unabhängig von dem Denken von p, auch wenn (wie etwa von Kant schon hingewiesen wurde) notwendigerweise möglich, immer wenn p gedacht wird.
   Im folgenden werde ich zu zeigen versuchen, was meiner Ansicht nach daß jeder von uns wirklich denken muß, wenn er Versuch, das cogito zu denken.

   4. DAS COGITO ALS  EIN AUS EINER REIHE VON DREI
       BEWUßTSEINSMOMENTEN BESTEHENDER SCHLUß
   Hobbes erwähnte an der vorhin zitierten Stelle auch eine Auffassung - die er selbst für unproblematisch hielt - wonach ein Denken über ein Denken nur dann möglich ist, wenn man sich daher auf den letzteren Gedanken "nur als Erinnerung" bezieht (AT VII 237). Auch das "ich denke" im cogito kann nun in dieser Weise analysiert werden. Wir kommen dann zu dem Ergebnis, daß, wenn ich meine Existenz aus meinem Denken von p schließe, mindenstens drei verschiedene Bewußtseinsakte im Spiel sind: (i) der Akt des Denkens von p, (ii) der Akt des Denkens, daß  p gerade von mir selbst gedacht wurde, und (iii) der sich unmittelbar daraus ergebende Schluß, daß ich existiere.
   Was die ersten beiden Akte betrifft, so meine ich für gewöhnlich, wenn ich zu jemanden sage, daß ich jetzt denke, daß ich gerade einen Gedankenprozeß vollziehe, wobei die Gedanken, p, q, r... bereits gedacht wurden, und mich vermutlich zu anderen Gedanken führen werden, z.B. zu einem zu erwartenen Schluß t, den ich zu rechtfertigen beabsichtige. In dem Moment, in dem ich denke (oder sage), daß ich denke, halte ich in diesem Prozeß inne, um diesen Gedanken zu haben, damit dem ich auf den berhergen Teil des Gedankenprozesses selbst, den ich in meiner Erinnerung noch deutlich vor mir habe, bezug zu nehmen. In dem Moment selbst, in dem ich bestimmte Gedanken habe (z.B. daß es regnet, oder daß "3 + 2 = 5"), denke ich hingegen nicht, daß ich der bin, der das denkt. Selbstverständlich weiß ich, daß ich der bin, der denkt, daß es regnet. Aber die Erklärung dafür ist nicht eine nach Schema II; ein derartiges Wissen entsteht nicht gleichzeitig mit dem Gedanken, sondern erst nachdem ich ihm gehabt habe.
   Diese Art von Schluß hat eine Form, die der aus Schema I ähnlich ist, doch ohne eine Gleichzeitigkeit der involvierten Bewußtseinsakte zu fordern. Wir kommen damit zu einer Modifikation des ersten Schemas, welche zu unseren phänomenalen Intuitionen besser paßt. Die Aufeinanderfolge von (1a) und (1b) und (2) wird dabei wie folgt dargestellt:

   SCHEMA IV:
   Bewußtseinsakt
   (1a) Mein Denken von p
   (z.B. daß es regnet)
                                          Bewußtseinsakt zweiter Ordnung:
                                          (1b) Das Denken (Bewußtsein),
                                          daß ich (1a) gehabt habe...
   ___________________________________________
                                          abschließender Bewußtseinsakt:
                                          Daraus schließe ich unmittelbar
                                          (wegen der Voraussetzung von
                                          (1a)), daß ich bin.

   Dieses Schema scheint durchgehend haltbar zu sein. Es scheint tatsächlich dem zu entsprechen, was wirklich geschieht, wenn ich aus der Betrachtung meines Denkenprozesses schließe, daß ich existiere. Man kann diesen Vorgang anhand einer bekannten Metapher zu klären versuchen, wonach Bewußtseinsinhalte gleich einem von einem Scheinwerfer beleuchteter Fokus sind, der sich auf einer dunklen Bühne bewegt. Das, was im Zentrum des Lichtkreises steht, ist der Gedanke, der jetzt gedacht wird, wobei jedesmal nur ein einziger in das Zentrum des Lichtkegels eintreten kann. Das, was im Halbdunkel, in dem Lichtschein außerhalb des Fokus vorkommt, sind Gedanken und andere Bewußtseinsinhalte, die noch nicht oder nicht mehr deutlich erkennbar sind, sondern meist entweder erst in Rahmen künftiger Bewußtseinsakte in den sich bewegenden Fokus bald eintreten werden, oder ihm gerade verlassen haben und vielleicht nur noch ja eine Weile im Kurzzeitgedächtnis verbleiben. Das "ich denke, also bin ich" ist ein Gedankenschluß, der sich ganz in dem Bereich abspielt, der noch durch das Licht erreichbar ist, was uns aber nicht zu dem Irrtum verleiten darf zu glauben, daß er sich gänzlich im Bereich des Bewußtseinsfokus abspielt. Der Bewußtseinsprozeß, in dem das cogito vollzogen wird, ist also kein augenblickliches Geschehen. Wenn mein Bewußtsein nur punktuell wäre, wenn ich nur momentan die Welt wahrnehmen könnte, oder nur augenblickliche, aber voneinander völlig getrennte Akte des Weltbewußtseins hätte, würde ich nicht zu dem Schluß gelangen können, daß ich derjenige bin, der sich p, q, r... bewußt ist, oder daß ich, der sich solcher Gedanken bewußt ist, auch existiere.
   Der vorgeschlagene Ersatz von "Ich denke" durch "Ich denke p" im cogito kann auch etwas irreführend sein. Er erweckt den Schein, daß es sich hier wieder um ein einziges Bewußtseinsmoment handeln kann, wonach p die Ankündigung seines Denkens durch den Satz "ich denke" abschließt. "ich denke p" könnte demnach auch soviel wie "ich werde nun denken: p" heißen, wobei zunächst der Bewußtseinsakt des Denkens, gefolgt von dem Denken von p selbst, angekündigt wird, so daß aus diesem Denken von p "ich bin" unmittelbar geschlossen wird. Aber der Schluß "ich bin" kann daraus nicht gezogen werden; der angebliche Schluß "ich werde nun denken: p, also bin ich", entspricht nicht mehr dem cogito. Gültig wird der Schluß nur, wenn "ich denke p" etwa wie "p... ich habe es gerade gedacht... also bin ich" interpretiert wird, aber damit kommen wir wieder zu dem, was im Schema IV schon dargestellt wurde.
   Damit kommen wir auch dem Irrtum aufklären, den selbst Descartes in seiner Antwort auf Hobbes' Einwand beging. Der Eindruck, daß das cogito als ein einziger kohärenter Bewußtseinsakt zu verstehen ist, entsteht dadurch, daß es das beinhaltet, was durch Schema IV expliziert wurde; dies aber entgeht uns aufgrund der Schnelligkeit des Ablaufes. Aus Mangel an einer genaueren Analyse gelangen wir zu der Ansicht, daß wir einen wie an Schema I (oder einem ähnlichen) dargestellten intuitiven Bewußtseinsakt tatsächlich vollziehen können. Dieser Eindruck wird noch bestätigt, wenn wir als Alternative nicht das (vollkomen korrekte) Schema IV, sondern nur das unhaltbare, aber in gewisser Weise ähnliche Schema I in Betracht ziehen. Unter dieser Voraussetzung erscheint das cogito als etwas, daß nur die Schemata II oder III passen könnte.

    5. UNERWÜNSCHTE KONSEQUENZEN
        DIESER DEUTUNG
   Wie wir schon sahen, scheint das vierte Schema den Schluß der Ich-Existenz aus dem Denken wesentlich korrekter wiederzugeben, denn es wird der Phänomenologie unserer introspektiven Erfahrung gerecht, die wir haben, wenn wir unsere Existenz aus der Betrachtung unseres Denkens schließen. Es wird uns bewußt, daß wir existieren, indem wir über die Bewußtseinsakte reflektieren, die wir gerade gehabt haben, und wir gewinnen dabei den Eindruck, daß sie sämtlich nur von einem einzigen vereinigenden Subjekt (dem sog. "Ich") erfaßt wurden.
   Eine genauere Betrachtung ergibt jedoch, daß dieses Schema leider nicht genau das zeigt, was Descartes vom cogito erwartet, denn da die Bewußtseinsakte, die Gedanken p, q, r..., auf die ich Bezug nehme, schon vergangen sind, kann ich genaugenommen nur schließen, daß ich gedacht habe und daß ich existiert habe, nicht also, daß ich denke, sondern nur, daß ich dachte, nicht daß ich bin, sondern daß ich war.
   Angennomen aber, daß wir großügig sind, und das cogito als "Ich dachte, also ich war" richtig aufzufassen wäre. In diesem Fall kommen wir jedoch nicht zur Gewißheit. Da die Bewußtseinsakte in einer zeitlichen Abfolge verlaufen, verlangt (1b) von mir die Erinnerung, daß ich (1a) gerade gehabt habe. Ebenso verlangt (2) von mir, daß ich diese Erinnerung (1b) noch präsent habe. Es kann stets möglich sein, daß ich durch solche Erinnerungen getäuchst werde: der genius malignus kann mir z. B. vorspiegeln, daß ich gerade eine Erinnerung an Gedanken p, q, r... habe, obwohl ich diese Gedanken selbst in Wirklichkeit gar nicht hatte (es kann sein, daß ich mich daran erinnere, daß ich Gedanken hatte, aber, wenn ich versuche ihre Inhalten zu vergegenwärtigen, bemerke ich, daß so was nicht gibt, usw.). In diesem Fall glaube ich, daß ich dachte, wenn ich in Wirklichkeit nicht dachte: das "Ich denke", sofern es auf "Ich habe gerade gedacht" reduziert wird, erweist sich somit nicht als ein selbstverifizierendes Urteil, wie es uns am Anfang noch erschienen war. Und dasselbe sollte auch für den Schluß darauf, daß ich gerade war, gelten. Wenn ich schließe, daß ich gerade noch existiert habe, so muß ich dabei die Erinnerung, daß ich gerade gedacht habe, zu Hilfe nehmen, und es ist möglich, daß diese Erinnerung vom genius malignus verfälscht wurde, daß ich also gerade eben noch nicht existiert habe.
    Vielleicht könnte man die Prämisse "Ich dachte eben p" auf die Gegenwart ausdehnen, so daß daraus, daß, ich p gerade gedacht habe, folgt, daß ich es noch jetzt denke? Ein solcher Schluß wäre nur noch induktiv gültig; und wie bei jedem induktiven Schluß, wäre seine Konklusion nicht mehr gewiß. Außerdem wäre unklar, auf welcher Basis er beruhen soll. Kommen wir nun also zu dem endgültigen Ergebnis, daß wir uns unserer gegenwärtigen Existenz nicht gewiß sein können? Vielleicht sogar, daß wir diese gegenwärtige Existenz, aufgrund Mangel induktiver Basis, gar nicht wissen können? Kann vielleicht sein, daß ich nur existiert habe, solange ich p gedacht habe, und dannach von dem genius malignus vernichtet wurde, so daß der Schluß meiner Existenz nicht mehr gilt? Offensichtlich wäre das ein Umfug, denn es kann nicht geleugnet werden, daß, indem ich schließe, daß ich bin, dieser Schluß ganz unabhängig von der Richtigkeit von solchen Prämissen wie "ich denke, daß p..." geschieht: ich kann meiner Existenz, sofern ich wach bin, immer absolut sicher sein. Es muß also einen anderen Weg für die Vergewisserung der Ich-Existenz geben, der nicht der des eigentlichen cogitos ist. Diese Annahme bringt uns etwas mehr zu der performativen Auffassung des cogitos zurück.

   6. DIE GEWIßHEIT DER FESTSTELLUNG
       DER ICH-EXISTENZ
    Nach Hintikkas performativer Auffassung ist die Aussage "Ich bin"  selbstverifizierend, und die Aussage "Ich bin nicht" existentiell inkonsistent. Diese Auffassung stützt sich auf die Binsenwahrheit, daß ich nur einer meiner Bewußtseinstätigkeiten gegenwärtigen sein brauche, um zu wissen, daß ich etwas bin. Die Auffassung stimmt nun nicht mit dem Ergebnis unserer Analyse des cogito-Schlusses überein, denn, denn, wie wir sahen, muß der cogito-Schluß, wenn überhaupt gemäß Schema IV verstanden werden. Aus Schema IV ergibt sich jedoch nicht "ich bin", sondern ein nicht ganz gewisses "ich war", oder höchstens ein induktiv gewonnenes, also ebenfalls ungewisses, "ich bin".
   Man kann nur dennoch einen weiteren Versuch unternehmen, die Gewißheit der eigenen Existenz zu sichern. Die Selbstverifizierung meiner Existenz wird gemacht, indem ich ein Gedanken p denke, nämlich, daß ich bin. Dies kann die folgende logische Form erhalten:

    "Ich stelle fest (beim Denken), daß ich bin, also bin ich
      (d.h. es existiert etwas, das denkt)",

oder, einfacher:

    "Ich denke, daß ich bin, also bin ich".

    Diese Feststellung erscheint auf den ersten Blick als ein besonderer Fall des im Schema IV dargestellten Bewußtseinsprozesses. Es könnte ferner leicht der Eindruck entstehen, daß damit wieder zu der ursprünglichen Formel des cogito, "Ich denke p, also bin ich", zurückkeren, wobei anstelle von "p" "ich bin" eingesetzt wird. Wenn dies so wäre, dann müßten wir erneut dre verschiedene Bewußtseinsmomente postulieren: (i) ich denke, daß ich existiere; (ii) ich stelle fest, daß ich gerade gedacht habe, daß ich existiere; (iii) ich schließe daraus, daß ich existiere. Wäre diese Analyse korrekt, so würden wir damit wieder eine Zeitverschiebung zwischen den Bewußtseinsmomenten, und somit zum Ergebnis kommen, daß "Ich existiere" keine absolut gewisse, selbstverifizierende Feststellung ist.
   Bei näherer Betrachtung erweist sich aber dieses Ergebnis als falsch. Daß meine Selbstexistenz von mir immer mit Gewißheit erkannt werden kann, ergibt sich bereits aus der Überlegung, daß ich sie durch bloßer denken festzustellen vermag. Das heißt: (i) = (iii), was auf die Entbehrlichkeit von (ii) ((1b) im Schema IV) hinweißt. Genauer: der Bewußtseinsakt, in dem ich meine Existenz denke (der "Ich bin"-Gedanke) fällt mit der Konklusion zusammen, nämlich, mit dem Bewußtseinsakt, in dem ich meine eigene Existenz feststelle (das "Ich bin"-Konklusion). Der Bewußtseinsakt (ii), also nämlich die Feststellung, daß ich gedacht habe, daß ich sei, erweißt sich dabei als überflüssig: wenn ich denke, daß ich bin, kann ich unmittelbar und gleichzeitig daraus schließen, daß ich bin! Diese Erfahrung der eigenen Existenz kann im folgenden Schema dargestellt werden:

   SCHEMA V:
   Einziger Bewußtseinsakt: Ich  schließe,  daß  ich  bin,
                                             indem ich denke, daß ich bin.

   Damit wäre also gezeigt, daß diese selbstverifizierende Auffassung von "Ich bin", im Gegensatz zum ursprünglichen Cartesischen cogito, die von diesem geforderte Gewißheit errreicht. Die Gewißheit des "Ich bin" ist allgegenwärtig und unausweichlich; die bloße Betrachtung des Gedankens meiner Existenz impliziert schon diese Existenz. Der Gedanke, daß ich bin, ist somit ein Beispiel für eine logisch kontingenten, also empirisch/synthetische Aussage, die aber zugleich notwendig wahr ist. Und, wie H. G. Frankfurt bemerkte(12), ist sie im Unterschied zu anderen Erkenntnissen über das eigene Bewußtsein, von dem, was sie bestätigt, nicht trennbar. Das zweite Glied der Äquivalenz H trifft also auf diesen Fall zu, da aus der Erfahrung der Ich-Existenz, nämlich aus dem Denken von Etwas als Träger eines Gedankens, kann der Erfahrungsinhalt, nämlich, die durch das Denken erfaßte Existenz des denkenden Ichs, logisch nicht getrennt werden.
   Obwohl es sich dabei nicht um die eigentliche, offizielle Form des Cartesischen cogito handelt, ist es eine Auffassung, die in Descartes Texten durchaus präsent ist. Der Satz (vi) unserer anfänglichen Liste hieß nämlich: "Ich denke, daß ich bin, also bin ich". Descartes muß sich also der Wichtigkeit dieser Idee schon bewußt gewesen sein, und es wird wohl einen aufmerksamer Leser kaum entgehen können, daß gerade in seiner am sorgfältigsten ausgearbeiteten Schrifft, den Meditationen, anstelle der Formel "cogito ergo sum" die These aufgestellt, daß die "Ich-Existenz", immer wenn sie ausgesprochen oder gedacht wird, außer Zweifel steht. Wie er als Ergebnis seiner Diskussion schreibt: "Aber es gibt einen... der mir geflissentlich stets täuscht... Er täusche mich, so viel er kann, niemals wird er es doch fertig bringen, daß ich nichts bin, solange ich denke, daß ich etwas sei (quamdiu me aliquid esse cogitabo). Und so komme ich, nachdem ich derart alles mehr als zu genüge hin und her erwogen habe, schließlich zu dem Beschluß, daß dieser Satz: ich bin, ich existiere (ego sum, ego existo) so oft ich ihn ausspreche (profertur) oder begreife (concipitur), notwendig wahr ist" (AT VII 18).(13)

   6. SCHLUßFOLGERUNGEN
   Die wichtigsten Ergebnisse, die aus der vorigen Überlegungen entnommen werden können, sind die folgenden:
  1) Das Cartesische cogito, wenn wir es als einheitlichen intuitiver Bewußtseinsakt auffassen - d.h. wenn wir ihn, wie Descartes, im Sinne von Schema II oder III verstehen - ist ein Unding - es läßt sich nicht denken.
  2) Wenn aber das cogito hingegen als eine Reihenfolge von Bewußtseinsakten (Schema IV) aufgefaßt wird, entspricht es vielleicht einem tatsächlich möglicher Denkprozeß - doch ist es in dieser Form bezweifelbar. Es mag (in einer leicht veränderte Auffassung) ein sehr sicherer Schluß bleiben, aber als erstes Fundament der Erkenntnis kann es nicht mehr dienen.
  3) Die Möglichkeit von Zweifeln wird jedoch ausgeräumt, wenn wir die Erkenntnis der Ich-Existenz im Form einer selbstverifizierende Feststellung von "ich bin" auffassen, denn in diesem Fall gelangt  man unmittelbar aus dem denken, daß ich bin zu ihr. In diesem Schluß "(Ich denke), daß ich bin, also, bin ich", sind der Akt des Denkens "ich bin" und der Akt des Folgerns "ich bin" ein und derselbe gegenwärtige Bewußtseinsakt - was die Möglichkeit des Zweifels vollkommen beseitigt. Zwar mag diese Version in Descartes Schriften nur am Rande vorkommen, aber sie scheint die einzige zu sein, die die Existenz des denkenden Ichs vor jeglicher Ungewißheit rettet.


Anmerkungen:
(*)    Ich möchte Professor P. Stemmer and Frau D. Lotter für Diskussion und Stutze bedanken.
(**) AT wird als Abkurzung der Standardausgabe von C. Adam & P. Tannery (Hrsg.) Oevres de Descartes, revised ed. 12 vols. (Paris: Vrin/CNRS, 1964-76) verwendet.
1 Ich bezeichne es als ein Humeschen Grundsatz in Anlehnung an Humes bekanntes Prinzip, wonach zwei logisch verschiedene Gegenstände in Abwesenheit voneinander aufgefaßt werden können. Vgl. dazu D. M. Armstrong, "Is Introspective Knowledge Incorrigible?", The Philosophical Review, Nr. 72, 1963, S. 422.
2  P. Feyerabend: Zeitverschwendung (d.Ü.), Frankfurt 1995, S. 159.
3 Siehe J. Hintikka: "Cogito ergo Sum: Inference or Performance?", in: W. Doney (Hrsg.) A Collection of Critical Essays, New York 1968, S. 121 f.; siehe auch A. Kenny: Descartes: A Study of his Philosophy, New York 1968,  SS. 50, 170.
4  Diesen Vorschlag entnehme ich von M. D. Wilson, Descartes, London 1978, S. 65.
5  A. Kenny, op. cit. S. 53. Auch bei P. Markie: "The Cogito and its Importance", in: A Cambridge Companion to Descartes (Hrsg. J. Cottingham), Cambridge 1992, SS. 145-6.
6  J. Hintikka, a.a.O. SS. 122, 132.
7 Siehe A. Kenny: op. cit.  p. 54,; siehe auch H. G. Frankfurt: "Descartes' Discussion of his Existence in the Second Meditation," Philosophical Review, LXXII 1963, und M. D. Wilson, op. cit. S. 67 f.
8  Vgl. B. Russell: History of Western Philosophy, London 1961, p. 550.
9  Nach Descartes wissen wir dies durch das natürliche Licht der Vernunft, indem wir verstehen, was Denken ist, das es ein Attribut und somit ein Attribut von etwas sein muß, das er 'Substanz' nennt. Es ist hierbei anzubemerken, daß das Cartesische Argument vollkomen korrekt verlaufen könnte, wenn jenes "Etwas" nicht als Substanz, sondern als ein Bündel von Eigenschaften aufgefaßt wird. Die Idee, daß die Richtigkeit des cogito-Argumentes nur unter Voraussetzung der Substanztheorie gegeben sei, erweist sich daher als falsch.
10  A Kenny: op. cit., p. 62.
11 Dies scheint der Auffassung von A. Kemmerling zu entsprechen, wonach das cogito als "Der Denker dieses Gedankenvorkommnisses (hat diesen Gedanke und) existiert (also)" wiedergegeben wird (A. Kemmerling: Ideen des Ichs, Frankfurt 1996), S. 98. Diese Wiedergabe ist moglicherweise die richtige Deutung; die Frage ist aber, ob solche angeblich selbstreferierenden Gedanken in Wirklichkeit (als Gedanken) denkbar sind.
12  H. G. Frankfurt: Demons, Dreamers, and Madmen, New York 1970, S. 108.
13 Dieser Sachlage hat H. G. Frankfurt zu seiner bekannten, wenn auch umstrittenen These geführt, wonach der fundamentale Satz von Descartes nicht "Ich denke, also bin ich", sondern "Ich bin, ich existiere" ist (Vgl. H. Frankfurt, op. cit., Kap. 10.) Meines Erachtens wollte Descartes die Existenz des denkenden Ichs auf unterschiedliche Wege gewährleisten, ohne sich der Schwierigkeiten des eigentlichen cogito-Argumentes es hinreichend bewußt zu sein.

                                                                    

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